In wenigen Tagen beginnt unsere Radreise. Ich bin sehr gespannt ob alles so von statten gehen wird, wie wir es geplant haben.
Wir fahren ja nicht bloss des Kilometerfressens halber, sondern um die Gegend zu sehen und die Bewohner des Landstriches kennen zu lernen. Da man auf einer längeren Tour nur ein Tempo fahren soll, welches man auf die Dauer vertragen kann, sind die Tagesetappen von moderater Länge. Die an der Strecke liegenden Gasthäuser werden uns so sicher zu mancher Rast einladen.
Warum nun habe ich ein Dreirad ausgewählt um auf die Reise zu gehen?
Dieses kann ich zur Not auch im Kleide fahren. Die modernen Damenräder sind schließlich so hässlich wie unpraktisch und, auch wenn sie zum Aufschwung des Rades bei den Frauen beigetragen haben, sind sie nichts für mich. (Anm. der Red.: mit einem modernen Damenrad hättest du auch nicht teilnehmen dürfen 🙂 )
Das Radfahren hat schließlich, auch nach der Ansicht vieler Ärzte, eine sehr positive Wirkung auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Frauen. Die Kleidung muss jedoch der sportlichen Betätigung angepasst sein. Streitig wird der Verzicht auf das Korsett gesehen. Aber eine engagierte Frauenrechtlerin, über jedwede Eitelkeit erhaben, wird sich wohl überlegen mit welcher Kleidung sie das Radfahren ausübt. So sollen schon Frauen in den langen Unterhosen ihrer Männer auf dem Hochrade gesehen worden sein.

Werden, wie es Frau Amelie Rother beschrieben hat, die Strassenjungen mitrennen und mir unflätige Schimpfworte zurufen? Wohl eher nicht, befinde ich mich doch in Begleitung einiger Sportskameraden. Aber ich werde mich wohl doch als Mann verkleiden um den Anfeindungen durch die Leute zu entgehen.
Frau Ann Strong stellte 1895 fest, dass ein Fahrrad meist ein genauso guter Begleiter wie die meisten Ehemänner ist. Und wenn es alt wird und heruntergekommen aussieht, können wir Frauen es zur Seite stellen und uns ein neues kaufen, ohne die ganze Nachbarschaft zu schockieren.
Auf die Mitnahme meines kleinen Revolvers zum Schutz vor den Hunden werde ich wohl verzichten, müsste ich doch ansonsten die gestrenge Staatsmacht fürchten.
Meine Maschine ist gebrauchsfertig und wartet darauf, mich geschwind am Main entlang durch die Gegend zwischen Schweinfurth und Miltenberg zu tragen. Wenn sich dann auf schöner Chaussee die Brust weitet und das Herz höher schlägt, vermag dem keine Qual stand zu halten.
Kommentar verfassen